50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht oder Die Kriminellen in meiner Kindheit - 50 Years Women's Voting and Election Right or The Criminals in My Childhood

Copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography, Valbella
1970, ein Monat vor meinem 14. Geburtstag, Schneeballschlacht in Valbella

 

Heute vor 50 Jahren durfte mein Vater (und mit ihm andere stimmberechtigte Männer in der Schweiz) darüber abstimmen, ob meine 40jährige Mutter, eine gestandene Berufsfachfrau, mündig genug sei, über Sachthemen abzustimmen, zu wählen oder sich in ein politisches Amt wählen zu lassen.

Seit Monaten schon geistert die Frage durch meinen Sinn: Warum erinnere ich mich nicht an diesen wichtigen Tag? Warum nicht an Diskussionen darüber? Nachdem ich vor kurzem das Datum in Erfahrung gebracht hatte, wusste ich warum. Ich hatte ein furchtbares Jahr hinter mir gehabt.

Die erste sexualisierte Gewalt, die ich deutlich erinnerte, hatte ich ein Jahr zuvor, am 21. März, am Vorabend meines 14. Geburtstages erlebt. Der 26jährige Täter, verheiratet, Vater einer kleinen Tochter, hatte mir aufgelauert.

Ich war am Nachmittag mit dem 4jährigen Nachbarsjungen, den wir manchmal hüteten, zu einer Schafherde gegangen, die etwas ausserhalb des Dorfes Rast gemacht hatte. Als ich den kleinen Jungen nach Hause zurück gebracht hatte und die Wohnung der Nachbarn verliess, stand der Täter vor mir. Er müsse mir etwas zeigen. Im Wäschetrockenraum im Keller erzählte er mir, meine Mutter sei schwanger. Ich war völlig entgeistert. Verstand nicht, was da gerade geschah. Warum erzählte er mir das? Stimmte es? Wieso wusste er das? Und ich nicht? Konnte das sein? Gleich darauf nahm er mich in die Arme, dann begann er mich zu küssen, fragte, ob ich schon „mit einem Mann gewesen sei“.

1958
1958

Was für eine fiese Frage. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Natürlich kannte ich die Väter meiner Spielkamerad*innen. Ich stand unter Schock. War paralysiert. Konnte mich nicht wehren. „Es“ dauerte monatelang. Und ich fühlte mich auch noch schuldig. Ein zweiter Täter im Haus, sein Freund, zu dem ich geschickt wurde zur Mathenachhilfe, beliess es zumindest bei küssten und fummeln. War das besser? Nein. Die beiden machten mir mein Kinderleben kaputt, das ich mir zuvor, nach den Vergewaltigungen durch meinen Onkel (Bild), als ich zwischen zwei und sechs Jahre alt war, mühsam wieder zusammengeflickt hatte.

Ich war nicht mal das einzige Mädchen gewesen. Wie mir leider erst viel später klar wurde. Auch andere Mädchen waren Opfer geworden dieser erwachsenen Männer. Die Atmosphäre im Haus, zwischen manchen Erwachsenen war erotisiert. Einige der Ehepaare waren gerade 26+. Der Film „Lolita“ war unter ihnen präsent. Und dass die Mädchen schuld waren an allem, was ihnen angetan wurde, lag „in der Luft“.

Kein Wunder, erinnere ich mich an keine Diskussionen um die Einführung des Frauenstimmrechts.

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Fifty years ago today, my father (and other men with voting rights in Switzerland) were allowed to vote on whether my 40-year-old mother, a seasoned professional, was mature enough to vote on issues, to vote or to be elected to a political office.

The question has haunted my mind for months: Why can't I remember this important day? Why can't I remember discussions about it? Having recently found out the date, I knew why. I had had a terrible year.

The first sexual violence that I clearly remembered I had experienced a year earlier, on March 21, on the eve of my 14th birthday. The 26 year old perpetrator, married and father of a young daughter, had ambushed me.

In the afternoon I went to a flock of sheep with the 4-year-old boy of neighbours, whom we sometimes looked after. When I brought the little boy back home and left the neighbors' apartment, the perpetrator stood in front of me. Told me, he must show me something. In the  drying room in the basement, he said, that my mother was pregnant. I was completely flabbergasted. Didn't understand what was happening. Why did he tell me this? Was it true?  How could he know that? Why didn't I know anything about? Could it be? Immediately afterwards he took me in his arms, then began to kiss my face, asked if I had already "been with a man".

What a mean question. I had no idea what he meant. Of course, I knew the fathers of my playmates. I was in shock. Was paralyzed. Couldn't defend myself. "It" took months. And I felt guilty too. A second perpetrator in the house, his friend, to whom I was sent for math tutoring, went no further than kissing and touching. Was that better? No! The two of them ruined my childhood life, which I had laboriously patched back together after my uncle's rapes (picture) when I was between two and six years old.

I wasn't even the only girl. As I unfortunately only realized much later. Other girls had also become victims of these grown men. The atmosphere in the house, between some adults, was eroticised. Some of the couples were just 26+. The film "Lolita" was present among them. And that the girls were to blame for everything that was done to them was "in the air".

No wonder, I don't remember any discussions about introducing women's voting and election rights.

 

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