Break - Pause

Ernen, Musikdorf Ernen, Goms, Wallis, Schweiz, Switzerland, copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography
Ernen, talauswärts - View out of the valley

Eine lange Pause wurde notwendig. Die akute, neue Autoimmunerkrankung Polymyalgie brauchte alle Energie und Aufmerksamkeit, um einen Umgang mit ihr und mit der Medikation finden. Zu Beginn geriet ich in eine Art Cortisonrausch. Das Cortison sagt: „Mach, mach, mach. Und das geht noch und das auch noch und jenes auch noch und ach, das wolltest du doch auch schon längst erledigen und wäre es nicht schön, wenn …“, während Körperchen schon längst die Grätsche macht und die Arme sowieso nicht mehr als ein paar Sekunden oder Meter mehr ein halbes bis anderthalb Kilo zu tragen vermögen. Aber du wirst getrieben, innerlich zittert „es“. Du kannst nicht still sitzen. Musst dich bewegen.

(For English speaking people I'm really sorry, but I've not the energy to translate.)

Ernen, Musikdorf Ernen, Goms, Wallis, Schweiz, Switzerland, copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography
Einführung ins Klavierrezital 4 mit Wolfgang Rathert

Nach zweieinhalb bis maximal vier Stunden Schlaf – i.d.R. drei - schlägst du bereits wieder die Augen auf, voller Tatendrang, manchmal sogar mit einem Lächeln im Gesicht. Doch der Tatendrang ist künstlich, der hohen Cortisondosis verdankt, das Lächeln wahrscheinlich auch, aber es fühlt sich gut an. Und so machst du weiter. Ist ja auch schön. Die Mukis sind inzwischen trotz anhaltenden Entzündungsprozessen gewachsen, du fühlst dich stärker. Auch wenn du täglich mehrmals erlebst, dass diese Kraft nur kurzfristig mobilisiert werden kann. Für ein paar Sekunden. Für fünf Meter Giesskannen tragen. Aber es fühlt sich gut an. Du bist wieder so wach und präsent wie mit 32, schnell und glasklar im Denken, in der Aufnahmefähigkeit. Eine A4-Seite anschauen, nicht lesen, nur anschauen und wissen und wiedergeben, was drauf steht, ist ein Klacks. Entscheidungen zu treffen fällt dir leicht. Rhetorisch bist du schon fast wieder brillant. So kennt deine Umgebung dich gar nicht – ausser du bist noch in Kontakt mit Menschen, die dich mit 32 schon kannten. Aber diejenigen, die dich erst mit Hashimoto kennengelernt haben, lernen dich neu kennen. Und du wirst täglich erinnert an die Frau, die du mal warst. Und freust dich. Freust dich. Freust dich. Euphorisch.

Ernen, Musikdorf Ernen, Goms, Wallis, Schweiz, Switzerland, copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography
Xenia Löffler, Oboe und Blockflöte und Corinne Holtz während der Einführung in das 3. Barockkonzert

Bis du dich allmählich fühlst, als hättest du die letzten sechs, sieben, acht Wochen nächtelange Parties gefeiert. Das brave Körperchen, das bisher trotz völliger Überforderung fast alles mitgemacht hat, macht schlapp. Du bewegst dich nur noch im Zeitlupentempo, jede noch so kleine Anstrengung scheint zuviel. Und doch will „es“, dass du weiter machst wie bisher. Du versuchst ein paar Tage noch, dem nachzugeben …

Doch du weisst, so kann es nicht weitergehen. Das ist Raubbau an deinem Körper.

... Während eines Telefonates mit Freundin G. beschlossen wir, in Ernen gemeinsam eines der Konzerte zu besuchen. Sie würde wieder nach Hause fahren, ich sollte zehn Tage in ihrem gerade noch leerstehenden Elternhaus wohnen dürfen. Ein Ort, an dem es für mich nichts zu tun geben würde als Selbstfürsorge. Schlafen, lesen, schreiben, zeichnen, spazieren, kochen, essen, abwaschen, Medis richten, Leber- und Nierenwickel, ruhen.

 

Ernen, Musikdorf Ernen, Goms, Wallis, Schweiz, Switzerland, copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography

Mir war im vornherein bewusst, dass ich nicht zur Trusera (Suone, Wasserleite) würde hoch steigen können. Und auch nicht den Wanderweg von der Steinmatte nach Binn würde gehen können, wo Künstler*innen wieder die Twingi-Landart gestaltet hatten. Um zu testen, ob ich wenigstens den Weg über den Galgenhügel angehen könnte, spazierte ich als erstes ebenerdig dem Bächlein unterhalb des Galgenhügels entlang. Und obwohl ich um meinen desolaten Zustand wusste, war ich erstaunt, als ich feststellen musste, dass die Kraft nicht mal für 600 m und zurück reichte. Und nach 600 Metern bereits heftige, Muskelschmerzen einsetzten, die tagelang anhielten.

Da wird eins sehr bescheiden.

Zum Glück hatte ich den Literatur-Workshop mit Donna Leon noch absagen können. So leid es mir tat, das hätte ich nicht geschafft.

Ernen, Musikdorf Ernen, Goms, Wallis, Schweiz, Switzerland, copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography
Thomas Müller, Hornist, von der Schola Cantorum Basiliensis im Gespräch mit Corinne Holtz bei der Einführung zum 2. Barockkonzert

Corinne Holtz hätte von Thomas Müller gerne einen Hornisten-Witz gehört. Der meinte, er kenne nur Trompeterwitze und erntete damit grosses Gelächter. So blieb ihr nichts anderes übrig, als selber einen zum besten zu geben: "Warum ist das Horn ein heiliges Instrument? Man weiss, was man reinlässt, aber nur "Gott" weiss, was rauskommt."

Ernen, Musikdorf Ernen, Goms, Wallis, Schweiz, Switzerland, Thamiam, Thamiam Kirchhofer, copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography
Im Gedenken an Thamiam und G.'s Mama, die mit 97 1/2 Jahren beschlossen hatte, es sei Zeit zu gehen. Dank den beiden für ihr Dasein

3. Barockkonzert. Inga Kala und Barock Aernen am 19. Juli 2019. Wenn du Interesse daran hast, erkundige dich bitte beim Musikdorf Ernen, ob eine CD zustande gekommen ist.

Dass das Cortison was mit dem Schilddrüsenstatus machen würde, war ziemlich klar. Dass so unklar werden würde, was zu tun sei, damit habe ich nicht gerechnet. Dabei weiss ich aus Erfahrung, dass bei einem schwierig einzustellenden Hashimoto eh nix anderes übrig bleibt, als auszuprobieren, was wirkt und was nicht.

Ernen, Musikdorf Ernen, Goms, Wallis, Schweiz, Switzerland, copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography
Ernen, Musikdorf Ernen, Goms, Wallis, Schweiz, Switzerland, copyright, AincaArt, Ainca Kira, Foto und Text, Writer, Photographer, Photography
Alle weiteren Spaziergänge beschränkten sich auf das Dorf und den schmalen Pfad unterhalb der Kirche - aber schön war es doch.

Derzeit ist es offenbar so, dass eine Umwandlungsstörung vorliegt, heisst aus der Thyreoglandmischung T4:T3=4:1 viele T4 in reverse T3 (rT3) statt in T3 umgewandelt wurden. Die rT3 besetzen dieselben Rezeptoren, an die das T3 andocken sollte. Die Folge ist, dass zwar Unmengen T3 im Blut nachgewiesen werden können, diese aber nicht bei den Zellen ankommen, wo sie gebraucht würden um aktiv zu sein, was durch einen 24h-Urintest nachgewiesen werden konnte. Einzige Möglichkeit offenbar, dem etwas entgegenzusetzen ist der Verzicht auf T4 für zwei bis drei Monate und einschleichen eines reinen T3-Präparates. Zur Erklärung muss ich noch das Buch „Für die Schilddrüse – Gegen den Starrsinn“ lesen, auf das Freundin G. schwört. Wie es funktionieren soll, habe ich dank der massiven Schilddrüsenunterfunktion, in der ich mich befinde, schon wieder vergessen. Diese und das Cortison sieht man mir inzwischen auch an. In den letzten drei Wochen bekam ich das typische Cortison-Vollmondgesicht und nahm innert zweier Wochen sieben Kilogramm zu. Da unterstützen sich offensichtlich Hashimoto/SD-Unterfunktion und Cortison gegenseitig mit Wassereinlagerungen. Das ist unschön und nervt zuweilen. Doch wenn ich mir die Alternativen Erkrankung bis zur Bewegungslosigkeit und mögliche Erblindung in Erinnerung rufe, wird es etwas leichter, das höchst unvorteilhaft veränderte Aussehen wenigstens ein Stück weit zu akzeptieren.